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Entscheidungsfindung in der Sofortbelastung – was, wann und wieso?

Aus Patientensicht bieten Sofortimplantation und Sofortversorgung viele Vorteile, wie kürzere Heilungszeiten, weniger operative Eingriffe sowie postoperative Beschwerden und ggf. ein besserer Komfort durch festsitzende provisorische Versorgungen. In der Anfangsphase der Sofortimplantationen waren Misserfolge und Komplikationen nicht ausgeschlossen. Heute ist bekannt, dass eine penible Fallselektion und ein tieferes Verständnis über primäre und sekundäre Implantatstabilität entscheidend für den Langzeiterfolg sind.

Zunächst muss zwischen Sofortimplantation und Sofortbelastung unterschieden werden. Unter Sofortimplantation versteht man die Insertion eines Implantates direkt nach Extraktion in die Alveole. Unter Sofortbelastung versteht man das sofortige Belasten eines Implantates durch z. B. ein festsitzendes Provisorium, ohne die Osseointegration abzuwarten. Dies ist unabhängig davon, ob es sich dabei um ein sofort- oder konventionell gesetztes Implantat handelt.

Die Entscheidung, ob ein Implantat sofort belastet werden kann, hängt dabei vor allem von der Primärstabilität ab. Diese wird verursacht durch die rein mechanische Friktion des Implantats im umliegenden Knochen, während die sekundäre (biologische) Stabilität durch ein Einwachsen des Knochens auf der Implantatoberfläche (der Osseointegration) erzeugt wird. Der Vorgang der Osseointegration dauert acht bis zwölf Wochen, wobei die Stabilität durch die Umbauprozesse im heilenden Knochen zunächst abnimmt (Minimum ca. 4.-6. Woche), bevor die endgültige Implantatstabilität durch Osseointegration erreicht wird. Für eine erfolgreiche Sofortbelastung muss daher sichergestellt sein, dass zu keinem Zeitpunkt der Implantatheilung eine Mikrobewegung des Implantates auftritt, da diese die Osseointegration unmöglich macht und zum Implantatverlust führt.

Zur Messung der Implantatstabilität sind zwei Messverfahren etabliert: erstens das Insertionsdrehmoment beim Setzen des Implantates und zweitens der sog. ISQ (implant stability quotient) Wert. Diesen Wert erhalten wir durch eine Resonanzfrequenz-Analyse. Dafür wird ein magnetisches Messabutment („smart peg“) ins Implantat eingeschraubt und mittels magnetischer Induktion die Resonanzfrequenz des Implantates im Knochen gemessen. Dieser Wert steht in direktem Zusammenhang mit der Implantatstabilität, unabhängig davon, ob es sich um primäre oder sekundäre Stabilität handelt. Im Unterschied zum Insertionsdrehmoment, welches einen einmaligen Messwert zum Zeitpunkt der Implantatinsertion darstellt, kann der ISQ zum Monitoring des gesamten Heilungsverlaufes eingesetzt werden. In der Literatur ist anhand einer Vielzahl klinischer Studien zur Sofortbelastung eine ISQ-Skala entwickelt worden, welche detaillierte Information darüber gibt, ob und in welcher Form ein Implantat belastet werden kann.

Case reports Fall 1

In dem vorgestellten Fall handelt es sich um eine Sofortimplantation in regio 11 und 22. Der Fall wurde anhand eines DVT-Datensatzes als full guided surgery geplant und die Implantate 11 und 22 schablonengeführt inseriert. Die Primärstabilität wurde anhand Insertionsdrehmoment und ISQ-Messung verifiziert: Es ergab sich eine ausreichende Primärstabilität für eine erfolgreiche Sofortimplantation, jedoch war die Stabilität nicht ausreichend für eine Sofortbelastung. Daher wurden die Implantate mit individuellen, vollanatomischen PEEK-Gingivaformern, die aus dem Datensatz konstruiert wurden, abgedeckt und eine Heilung von zwölf Wochen abgewartet. Eine erneute ISQ-Messung nach zwölf Wochen ergab eine vollständige Osseointegration, sodass die Implantate mit definitivem Zahnersatz versorgt werden konnten (Abb. 1-15).

Fall 2

Der zweite Case Report stellt eine Sofortimplantation mit Sofortbelastung im ersten Quadranten vor. Hier kam als Sonderform der Sofortimplantation die sog. socket shield Technik zur Anwendung, bei der ein Teil der bukkalen Wurzel bewusst in der Alveole belassen wird, um den vestibulären Anteil des Parodonts vital zu erhalten. Dies ist entscheidend zur Resorptionsprophylaxe des sog. bundle bone und ermöglicht es im gezeigten Fall, die direkt postoperativ abgeformte Modellsituation auch für die fifinale Krone zu verwenden, da postoperativ weder am Hart- noch am Weichgewebe ein Volumenverlust messbar war (Abb. 16-32).

Autor

Dr. med. dent. Jörg Martin Ruppin

Dr. med. dent. Jörg Martin Ruppin

  • 1998 Staatsexamen und Promotion an der Albert- Ludwigs-Universität in Freiburg im Breisgau
  • 1999–2001 Tätigkeit als Assistenzzahnarzt, Freiburg
  • 2001–2007 Ausbildung zum Fachzahnarzt für Oralchirurgie sowie Lehr- und Forschungstätigkeit mit Schwerpunkten 3D-Diagnostik und computernavigierte Implantologie, Universitätsklinik der RWTH Aachen
  • 2007–2009 Tätigkeit als Oralchirurg in Praxisklinik für Implantologie, MKG-Chirurgie und plastische Chirurgie, München
  • 2009–3/2021 Leitung des Masur-Implantat- Zentrums, Penzberg
  • 2015 Anerkennung zum geprüften Spezialisten für Implantologie durch die EDA
  • 2018 Einberufung in das Mentorenprogramm der DGI
  • 2021 Gründung Implantat-Zentrum Dr. Ruppin &Kollegen, Penzberg

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www.iz-ruppin.de